Nach der Übernahme von Twitter durch Elon Musk beginnt eine neue Ära für den Kurznachrichtendienst. Während der Milliardär absolute Meinungsfreiheit proklamiert, beginnt ein Nutzer-Exodus von der Plattform und große Werbekunden ziehen sich zurück. Musk reagiert mit wütenden Attacken und politischen Ansprachen. Wir zeigen Ihnen hier die aktuelle Entwicklungen und stellen uns gemeinsam die Frage: Lohnt sich Twitter für Händler weiterhin als Plattform? Und wenn nicht… was ist die Alternative?
Elon Musk hat Twitter gekauft. Damit machte der Milliardär sein Versprechen wahr, den weltweit bekannten Kurznachrichtendienst mit über 450 Millionen monatlichen Nutzern zu übernehmen. Vorausgegangen war ein langer Streit mit dem ehemaligen Vorstand der Social-Media-Plattform, nachdem Musk sich eigentlich von seinem Angebot zurückziehen wollte. Am Ende musste der Tesla- und SpaceX Visionär jedoch, um einen Gerichtsprozess zu vermeiden, handeln und legte 44,2 Milliarden US Dollar auf den Tisch.
Musk, der seit Jahren aktiver Nutzer von Twitter ist und dort über 110 Millionen Follower hat, ist berüchtigt für seinen manchmal schwierigen Humor. So beleidigte er unter anderem einen Höhlentaucher im Rahmen der Rettung der Fußballmannschaft aus der thailändischen Tham Luang Höhle als “Pedoguy”. Und seine öffentlichen Kommentare zu seinen Firmen Tesla und SpaceX haben in der Vergangenheit schon für gewaltige Kurseinbrüche gesorgt. Als der ehemalige US-Präsident Donald Trump von der Plattform flog, nachdem er den Sturm auf das Kapitol verteidigt hatte, forderte Musk zudem eine sofortige Wiederaufnahme des Präsidenten.
Musk betonte, Twitter nun zu einer Plattform absoluter Meinungsfreiheit machen zu wollen. Und um das zu unterstreichen, feuerte er nicht nur als erste Amtshandlung den kompletten Vorstand und das Team, welches sich um die Eindämmung von Hass, Hetze und Falschbehauptungen kümmerte. Ihnen folgte kurz darauf die Hälfte der kompletten Belegschaft. Inzwischen wurde jedoch bekannt, dass Twitter wohl über Umwege versucht, zumindest einige der Entlassenen wieder einzustellen - offensichtlich, weil das Tagesgeschäft mit einer absoluten Rumpfmannschaft nicht zu bewältigen ist.
Gleichzeitig ist Twitter jedoch auch finanziell in eine gewaltige Schieflage geraten. So haben große Werbekunden wie VW und Audi ihre Werbebudgets eingefroren. Laut der Plattform MediaRadar schrumpfte die Anzahl der Twitter-Werbekunden von 3900 im Mai auf 2900 im September. Und zusammen mit den Werbekunden ziehen sich auch immer mehr User zurück und verlassen Twitter - oder werden gesperrt. Denn, um die finanzielle Lage auszubügeln, führte Musk ein, dass die blauen Haken, welche bisher halfen, Fake-Accounts zu erkennen, nun nur noch in einem 8-Dollar-Abo zu haben seien. Sofort nach der Einführung entstanden so verifizierte Fake-Accounts von Donald Trump und vor allem auch Elon Musk. Ein anderer Fake-Account des Pharmazeutikers Eli Lilly postete, dass das Insulin der Firma ab sofort kostenlos sei. Der Aktionkurs des Konzerns rauschte ins Bodenlose. Der Milliardär reagierte mit einer gewaltigen Ban-Welle.
Unternehmen müssen sich heute die Frage stellen, ob Twitter für sie noch die richtige Plattform ist um mit Kund*innen zu interagieren und für sich zu werben. Denn es könnte sein, dass die eigenen Werbeanzeigen nun auch neben Beiträgen von Nutzern erscheinen, die schreckliche und abartige Dinge sagen und gleichzeitig durch Musks Auslegung der Meinungsfreiheit geschützt werden. Zudem sind sie nicht davor geschützt, dass sich Betrüger als sie ausgeben, solange diese Betrüger Twitter einen kleinen monatlichen Betrag überweisen.
Aber was ist die Alternative? Twitter mag für viele Unternehmen nicht die primäre Kommunikationsplattform sein, aber gerade in Sachen direkte Kundenkommunikation ist der Kurznachrichtendienst unschlagbar. So betreiben viele Händler und Konzerne dort eigene Teams, die sich um Beschwerden und Vorschläge der Leute kümmern, die mit ihnen direkt interagieren. Zudem ist die Nutzerbasis von eben 450 Millionen Menschen jeden Monat ebenfalls ein durchaus interessanter Angriffspunkt für Werbung. Keine andere Plattform bietet diese Vorteile, die ein Alleinstellungsmerkmal von Twitter darstellen. Oder?
Zumindest technisch gibt es mit der Social-Media-Plattform Mastodon eine moderne Alternative. Auch dank dem Drama bei Twitter erreichte der Dienst erst kürzlich einen neuen Meilenstein von einer Million monatlichen Nutzern. Dabei fühlt sich Mastodon wie eine etwas rohe Kopie von Twitter an, die jedoch im Hintergrund der komplette Gegensatz zum Kurznachrichtendienst darstellt. So besteht Mastodon aus einem Netzwerk vieler dezentraler Server, die gemeinsam die Plattform bilden. Neue Nutzer müssen sich also einen Startserver aussuchen, bevor sie “loströten” können. Und jeder der Server stellt seinen Nutzern ein anderes Regelwerk, was diese Aufgabe durchaus schwierig machen kann.
Zur gleichen Zeit verspricht Mastodon viele Vorteile, die schon durch den Standort des Dienstes entstehen. Denn Mastodon kommt aus Deutschland und unterliegt damit dem Europäischen Recht. Die Frage nach Datenschutz und dem Abfließen von wichtigen Daten ist damit deutlich unwahrscheinlicher als bei Twitter.
Dennoch dürfte es für Unternehmen schwierig werden, eine eigene Followerschaft bei Mastodon aufzubauen. Denn: der dezentrale besitzt keinen Algorithmus, der automatische Inhalte empfiehlt und bietet bisher auch keine Möglichkeit, Werbung zu schalten. Wer also bei Mastodon gehört werden möchte, muss aktiv mit der Community dort interagieren. Jedoch könnte es sich dennoch lohnen, für Unternehmen auch Mastodon zu bespielen. Und wer heute schon mit dabei ist, könnte als Early Bird durchaus erfolgreich sein. Zudem gibt es die Möglichkeit, den eigenen Twitter-Account automatisiert auf Mastodon zu spiegeln und umgekehrt. So erscheinen Nachrichten auf beiden Plattformen.
"Und wieder ein neuer Player im Social Media Universum, der nicht nur bei Agenturen für Begeisterung sorgen wird. Was das jetzt genau mit Agenturen zu tun hat, wo wir doch hier eigentlich über die Relevanz für den Handel sprechen? Ganz einfach - ein neuer Kanal bedeutet auch immer eines: Man muss sich damit beschäftigen, das Potenzial für das eigene Geschäft evaluieren und schlussendlich darüber entscheiden, ob man auf den Trend aufspringen möchte und entsprechende Kapazitäten bereitstellen kann, oder eben nicht.Aber was bedeuten "Kapazitäten" im Zusammenhang mit einem neuen Social Media Kanal eigentlich?
Der "Registrieren-Button" ist doch meist schnell gedrückt und der eigene Account für das Unternehmen eingerichtet, schon richtig. Allerdings sind die Zeiten, in denen reine Push-Kommunikation funktioniert, längst vorbei. Und so sollte ein neu eröffneter Kanal nicht nur als Sprachrohr für das Unternehmen dienen, um die aktuellen Angebote anzupreisen oder gar Pressemeldungen zu veröffentlichen. Nichts ist schlimmer, als ein Social Media Account, dem man schon nach den ersten Sekunden ansieht, dass er nicht aus dem Streben zur Interaktion mit der Community heraus erstellt wurde, sondern nur als Zweitverwertungskanal für den eigenen Newsletter. Doch, ein solcher Kanal, der dann "verlassen" weiterexistiert, weil die ursprüngliche Euphorie und das "Early Adopter-" oder gar "innovator-Mindset" nur von kurzer Dauer war und dann keine weiteren Kapazitäten in den neuen Kanal fließen sollen.Also liebe Händler: Stellt euch die folgenden Fragen:
Ihr seid noch nicht ganz überzeugt - na gut. Aber denkt immer daran: eine weitere Filiale ist "auf dem Papier" beim Gewerbeamt auch schnell eröffnet. Aber auch hier stellt ihr auch ja zumindest vorab die Fragen nach Standort, Liquidität, Personal, explizitem Business Plan, Werbestrategie und Co.Könnt ihr also nicht mindestens zwei der drei Fragen mit einem klaren "Ja" beantworten, gibt es vermutlich aktuell dringendere Themen, die das eigene Business vorantreiben. Wie wäre es zum Beispiel damit, die eigene Omnichannel-Strategie auf einen modernen Stand zu bringen?